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Das Wandern ist des Müllers Lust
Es war einmal vor laaanger Zeit ein Müller in seiner Mühle. Eines
Tages überlegte er sich, daß er wandern gehen könnte. Also
ging er wandern, was ihm gut gefiel. Jeden Tag ging er nun ein bißchen
länger wandern, wodurch er aber immer ein bißchen kürzer
arbeitete. Dies tat er solange, bis er so viel wanderte, daß er fast
nicht mehr dazu kam, das Mehl zu mahlen. Die Leute in dem Dorf, bei dem
die Mühle stand, wurden langsam ungehalten. Der Bäcker konnte
kaum noch Brot verkaufen, da er nicht mehr genug Mehl zum Backen bekam.
Eines Tages nun brauchte der Müller neue Schuhe, da seine alten
vom vielen Wandern völlig durchgelaufen waren. So ging er also zum
Schuster des Dorfes und bestellte sich die Schuhe. Als die Dorfbewohner
davon hörten, drohten sie dem Schuster, nie mehr bei ihm etwas zu
kaufen, wenn er dem Müller neue Schuhe machen sollte. Der Schuster,
da er ein aufrechter Mann war, obwohl er gebückt ging, machte trotzdem
die Schuhe für den Müller. Fortan kaufte niemand mehr bei dem
Schuster ein.
Die Leute wollten ihm aber deutlich zeigen, daß sie nicht bei
ihm einkauften, und so gingen viele demonstrativ am Geschäft des Schusters
vorbei, um dort nicht einzukaufen. Allen voran natürlich der Bäcker,
der kaum noch backen konnte.
Nach einigen Tagen hatte es sich eingebürgert, daß jeder
Dorfbewohner ein- oder mehrmals täglich am Schuster vorbeiging, um
dort nichts zu kaufen. Und so liefen schließlich alle durch das Dorf
und kamen nicht mehr zum Arbeiten, nur um beim Schuster vorbeizugehen.
Der Bürgermeister entschied schließlich, daß der Bäcker
als Müller arbeiten sollte, da er das früher schon einmal getan
hatte. Ab da gab es wieder Mehl im Überfluß, dafür aber
keinen Bäcker mehr, der es hätte verwenden können
Kurz darauf bat jedoch der boykottierte Schuster um die Stelle als Bäcker.
Da er sich eigentlich nichts hatte zuschulden kommen lassen, außer
aufrecht geblieben zu sein, obwohl er gebückt ging, wurde er vom früheren
Bäcker als Nachfolger angelernt und die Leute kauften seitdem beim
neuen Bäcker, dem alten Schuster.
Als dann der Müller aufhörte zu wandern, blieb den Dorfbewohnern
nichts weiter übrig, als ihn als Schuster zu beschäftigen, da
niemand anders Zeit für diese Aufgabe hatte. Sein erster Auftrag war
die komplette Erneuerung sämtlicher Schuhe sämtlicher Dorfbewohner,
an der er sehr gut verdiente.
Seit dieser Zeit wird in dem Dorf jeder, der das Lied "Das Wandern ist
des Müllers Lust" singt, für drei Tage bei Wasser und Brot eingesperrt.
Und die Moral von der Geschicht':
1. Flexibilität und Mobilität sind wichtige Grundvoraussetzungen
um auf dem Arbeitsmarkt Erfolg zu haben.
2. Mit Intelligenz und Weitblick kann man aus selbstverursachten Krisen
durchaus Kapital schlagen.
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